Ich beginne ab Morgen ein neues Leben. Ich krempel es total um. Wie jetzt, wird es einigen durch den Kopf gehen. Der Grund dafür ist, dass ich im Grunde das größte Arschloch der Welt bin. Ich muss es einfach so drastisch ausdrücken, weil es die Wahrheit ist. Und diese habe ich erst vor kurzem erkannt. Aber von vorne.
Ich weiß schon lange, dass in mir, wahrscheinlich bedingt durch meine Kindheit (mein Stiefvater hat mich seelisch gequält und fertig gemacht) Aggressionen in mir schlummern, die ich zwar unter Kontrolle habe, die aber immer mal wieder zum Vorschein kommen. Mein Stiefvater ist natürlich keine Entschuldigung dafür, eher eine Ausrede.
Besonders aggressiv werde ich, wenn ich starken Alkohol getrunken habe. Ich also sturzbetrunken bin. Das kommt nicht oft vor, aber immer mal wieder. So auch in der Nacht vom 08.07. zum 09.07.06. Ich kann nicht genau sagen, was passiert ist, weil ich keine genaue Erinnerung an die Nacht habe, aber ich weiß, dass es schrecklich war. Ich bin schockiert von mir, habe vor mir selbst Angst und mache mir riesen Vorwürfe. Es muss so schlimm gewesen sein, dass Christin am Sonntag zu ihren Eltern gefahren und nicht nach hause gekommen ist. Am Montag haben Christin und ich dann kurz miteinander geredet und sind zu dem Schluss gekommen, dass es das Beste wäre, sich eine Weile nicht zu sehen, um Abstand voneinander zu bekommen und um in Ruhe nachdenken zu können.
Die Zeit bis Freitag war hart, aber ich habe nachgedacht. Ich habe mir Fragen gestellt. Fragen wie: Warum bin ich so aggressiv? Warum kann ich keinen meiner Jobs behalten? Warum mache ich mir immer wieder alles selbst kaputt? usw.
Ich habe natürlich keine Antworten auf meine Fragen bekommen. Wie auch. Ich musste erkennen, dass mein Leben schon seit fast 15 Jahren schief läuft. Ich habe festgestellt, dass ich zwar glücklich mit Christin, aber mit meinem restlichen Leben total unzufrieden bin.
Ich habe ja im Februar meinen Job verloren. Nach diesem Ereignis habe ich mich immer mehr zurückgezogen. Ich habe mein Leben total aus dem Fokus verloren und habe nur noch so dahin gelebt. Der PC war mein Lebensinhalt. (Wie erbärmlich im Nachhinein betrachtet). Ich habe mich um nichts mehr gekümmert. Habe alles in mich hinein gefressen, bis, ja bis ich explodiert bin. Ich weiß den Auslöser für diesen extremen Ausraster nicht und wenn ich ehrlich bin, interessiert er mich heute auch nur noch am Rande.
Es tut mir natürlich unendlich Leid was passiert ist und ich würde es am liebsten rückgängig machen, aber ich glaube, jetzt mit einigem Abstand, war es vielleicht sogar ganz gut. Nicht wie es passiert ist, aber dass es passiert ist. Die ganze Sache hat mich wieder in die Realität zurückgebracht. Hat mich erkennen lassen, dass ich in den letzten Monaten total von der Rolle war. Dass ich im Grunde mein Leben bisher verschwendet habe. Das einzig Gute, was mir bleibt, wenn ich mein Leben auseinander nehme ist Christin und meine Familie.
Ja so ist das. Um das Gute in meinem Leben zu retten und zu behalten, habe ich beschlossen, mich und mein Leben, wie oben schon erwähnt, total zu ändern. Ich weiß natürlich, dass das nicht von heute auf morgen geht und es Zeit braucht, aber die ersten Schritte sind schon getan. Die nächsten folgen. Welche das sind?
Schritt 1: Natürlich versage ich mir den Alkohol, der zwar nicht mein eigentliches Problem, aber immer wieder ein Auslöser war, damit sowas nicht wieder passiert.
Schritt 2: Christin und ich haben am Freitag lange miteinander geredet. Das Ergebnis: Sie bleibt bei mir und hilft mir mein Leben wieder in den Griff zu bekommen und dafür bin ich ihr dankbar. Unendlich dankbar sogar und ich liebe sie nur umso mehr.
Schritt 3: Ich stelle meinen Alltag um. Ich werde Christin mehr unterstützen.
Schritt 4: Ich werde mich morgen endlich Arbeitslos melden. Da bekomme ich dann zwar einiges zu hören, aber da muss ich durch. Ich bin ja selbst schuld.
Schritt 5: Ich werde mit ärztlicher Hilfe mit dem Rauchen aufhören und wieder Sport machen.
Schritt 6: Ich stelle meine Ernährung um.
Schritt 7: Dieser ist der Wichtigste überhaupt. Ich suche mir Hilfe. Ich werde mich in therapeutische Behandlung begeben. Ich möchte Antworten auf meine Fragen erhalten und meine Probleme lösen. Ich weiß noch nicht welche Probleme das sind und was für einen Schaltfehler ich in meinem Kopf habe, aber auf diesem Weg werde ich es schon herausfinden.
Schritt 8: Ich werde Tagebuch führen. Ich werde hier meine Erfolge und meine Niederlagen bei der Bekämpfung meiner Probleme und beim Umgestalten meines Lebens hinein schreiben.
Ja, ich bin ein Arschloch, ein Mistkerl und ein Idiot, aber ich bin einer, der es endlich erkannt hat und das ändern möchte, es ändern wird. So entschlossen war ich noch nie.
Ich kann es gar nicht oft genug betonen, wie dankbar ich Christin bin, wie sehr ich sie liebe und wie sehr ich mich für alles schäme.
Ich hoffe, in Zukunft ein besserer Mensch zu werden und zu sein. Optimismus ist es, was ich jetzt brauche. Optimismus, Liebe und viel Geduld. Ich werde es schaffen. Denn wenn ich es jetzt nicht schaffe, schaffe ich es niemals. Und dies wäre die größte Katastrophe für mich, die ich mir vorstellen kann.
Ich denke, dass ich einige mit dieser Beichte oder diesem Eintrag vielleicht ein wenig enttäuscht habe. Ich erwarte mir kein Verständnis und schon gar kein Mitleid, wofür auch. Ich brauche und erhoffe Unterstützung.
„Eines Tages wird alles gut sein, das ist unsere Hoffnung. Heute ist alles in Ordnung, das ist unsere Illusion.“
Mit diesen Worten von Voltaire mache ich Schluss für heute.
Danke Michael, ja die Erkenntnis kam spät, aber sie kam. Ich möchte es aber nicht so akzeptieren und den Grund dafür herausfinden. Ob sich dann was ändert, kann ich noch nicht sagen, ich hoffe es aber.
Ein toller Eintrag, Stephan! Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass es nicht einfach ist, sich als Idioten zu erkennen und das zu akzeptieren. Man (Frau) wehrt sich bis zuletzt dagegen und gibt erst bei „erdrückender Beweislast“ auf. Dabei kommt der dickste Brocken dann erst: nämlich, sich für das, was man auch ist, lieben zu lernen und lieben zu lassen. Aber so wie ich das lese, sieht das bei dir in dieser Hinsicht gut aus. In diesem Sinne einen liebevollen Sonntag! Michael
ich kann piglet nur recht geben: es ist absolut super und stark von dir, dein leben jetzt in Angriff zu nehmen. die Erkenntnis, dass du jetzt sofort etwas ändern musst, hat dir wahrscheinlich lange gefehlt. nun bist du „aufgewacht“ … vielleicht brauchtest du tatsächlich nur noch diesen Auslöser. es werden mit Sicherheit anfangs einige Hürden auf dich zukommen, aber hinterher kannst du stolz sein, wenn du die erfolge siehst!! ich wünsche dir auf jeden Fall alles, alles gute dafür! das schaffst du!
Ach Quatsch.. du bist doch kein Arschloch… sag sowas nicht! Außerdem… finde ich es sehr mutig, sich seinen Problemen zu stellen.
Ich wünsche dir viel Erfolg dabei 🙂
Ich wünsche Dir viel Erfolg dabei!